Bewegung im Urgestein

Von Martina Schwikowski · · 2008/12

Wenige Monate vor den Präsidentschaftswahlen gründen ehemalige ANC-Mitglieder eine neue Partei, die gegen den ANC unter Jacob Zuma ins Rennen geht.

Was als Stimmungstest gedacht war, geriet überraschend zu einem historischen Moment: Mehr als 6.000 Menschen brachen am 1. November im Sandton Convention Centre in Johannesburg in Jubelrufe aus, als auf einer nationalen Versammlung die Gründung einer neuen Partei beschlossen wurde. Sie waren in Bussen aus allen Provinzen des Landes angereist, um dem Aufruf des früheren Vorsitzenden des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), Mosiuoa Lekota, zu folgen. Lekota hatte zuvor seine Mitgliedschaft im ANC gekündigt, und viele TeilnehmerInnen dieser „National Convention“ sind ebenfalls bereit, mit Traditionen zu brechen: „Es ist hart, ich bin seit den Jugendaufständen gegen die Apartheid vor dreißig Jahren in Soweto Mitglied im ANC“, sagt Edward Tomotomo. „Aber es muss sein, für die Demokratie unseres Landes.“
Der 42-jährige Lichttechniker mischt sich unter die tanzenden AnhängerInnen der vorläufig noch namenlosen Partei. Bei den Präsidentschaftswahlen im nächsten Frühjahr will Tomotomo – wie viele andere – seine Stimme nicht dem derzeitigen ANC-Präsidenten und aussichtsreichen Kandidaten, Jacob Zuma geben: „Mbeki wird immer mein Präsident bleiben.“ Doch nicht nur ehemalige Mbeki-UnterstützerInnen stimmten der Abspaltung von der Regierungspartei zu. Auch Andere, hauptsächlich so genannte „young professionals“, die das Vertrauen in die politische Führung des Landes verloren haben, sind dafür und wollen sich an der Gestaltung einer neuen politischen Zukunft beteiligen. „Mbekis Zeit war um, aber wir brauchen jetzt eine Führung, die inspiriert und glaubwürdig ist. Zuma ist das nicht“, sagt die 31-jährige Phumzile Kotane, die in einer Medienabteilung der Regierung angestellt ist.

Eine Woche später steht der Name fest, die neue Partei soll „Congress of the People“ heißen. Der erste Vorschlag South African National Convention (SANC) wurde von der Regierungspartei ANC wegen zu großer Ähnlichkeit vor Gericht angefochten. Offiziell gegründet wird die Partei am 16. Dezember in Bloemfontein.
Südafrikas früherer Präsident Thabo Mbeki äußerte sich nicht zu der neuen Bewegung. Er war von seiner eigenen Partei im September vorzeitig aus dem Amt gedrängt worden, damit Jacob Zuma mit Unterstützung des ANC-Führungskomitees an die Landesspitze gewählt werden kann. Das Debakel um diese politischen Machtspielereien innerhalb des ANC hatte kürzlich auch zahlreiche Rück- und Parteiaustritte von Ministern zur Folge, darunter Verteidigungsminister Mosiuoa Lekota und der ehemalige Premier der Provinz Gauteng mit der Metropole Johannesburg, Mbhazima Shilowa. „Wir werden zügig die Strukturen der Partei festlegen, die Registrierung vornehmen und über Mandate entscheiden. Es ist unser Ziel, die nächsten Wahlen zu gewinnen“, rief Shilowa in die johlende Menge, die der Partei übermütig den Spitznamen „Shikota“ verlieh.
„Hier sind Wähler versammelt, die im vergangenen Dezember auf der ANC-Konferenz für Thabo Mbeki als ANC-Präsident gestimmt und mit einem Ergebnis von 40 Prozent gegen Zuma verloren haben. Die Bewegung könnte bis April zur Haupt-Opposition wachsen, und das kann den ANC die Zweidrittel-Mehrheit kosten „, sagt Chris Landsberg, Professor für Politikwissenschaften an der Universität von Johannesburg.
Die Parteigründer sehen unter Jacob Zuma die moralischen Werte und Visionen des ANC in Gefahr: „Die dominanten politischen Kräfte des Landes – das ist die ANC-Führung – beabsichtigen, die Macht zum eigenen Vorteil zu missbrauchen, wie es die weiße Minderheitenregierung in Apartheidzeiten getan hat“, sagte Parteivorsitzender Lekota in seiner Rede. „Sie wollen jeden zerstören, der gegen sie ist, um ihre selbstsüchtigen Interessen durchzusetzen“, zielte er gegen Zuma, der unter Korruptionsverdacht steht. Doch die neue Initiative gründet nicht nur auf dem Ärger darüber, wie Thabo Mbeki durch einen parteipolitischen Coup abgesetzt wurde, sondern auch auf dem Willen, sich über die innerparteiische Spaltung zwischen Zuma- und Mbeki-Lager hinwegzusetzen. Sie wird von Wirtschaftsvertretern finanziell unterstützt und von Oppositionsparteien befürwortet.

Die „Shikota“-Partei, deren Inhalte noch offen sind, kann in ein beträchtliches politisches Vakuum vorstoßen. Nicht nur die aufstrebende schwarze Mittelschicht sucht eine neue politische Heimat. Auch weniger wohlhabende Schwarze sind nicht einverstanden mit dem Führungsstil im ANC, der sich durch Respektlosigkeit gegenüber politisch Andersdenkenden auszeichnet. Und weiße WählerInnen, denen die einzige liberale, weiße Oppositionspartei nur wenig zu bieten hat, könnten auf diesen Zug aufspringen.

Martina Schwikowski ist Korrespondentin für das Südliche Afrika für die Tageszeitungen taz und Der Standard und lebt in Johannesburg.

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